Landkreis Havelland
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Sitzungsverlauf
Eine Einwohnerin aus Rathenow (Ärztin für Allgemeinmedizin im Ruhestand), spricht ein gesellschaftliches Problem zum Thema sexualisierte Gewalt an Kindern an. Ihr geht es besonders darum, was jeder Einzelne in der Gesellschaft dagegen unternehmen kann, dass solche Straftaten immer wieder begangen werden können. Ihr Eindruck ist es, dass viele Menschen zwar von Missbrauch an Kindern gehört und auch darüber gelesen haben, aber wenige davon wissen wollen, weil der Gedanke oder die Vorstellung dass z. B. schon ein Kind im Babyalter Missbrauch erfahren muss, zu schlimm ist, um es an sich heranzulassen. Die Ärztin geht auf die entstehenden Folgen traumatisierter Kinder, wie z. B., Depressionen, Angst- und Panikzustände und vor allem körperlich empfundene Beschwerden, ein. Sie erklärt, dass das Trauma immer präsent im Körper bleibt und wahrscheinlich nur eine jahrelange Therapie Hilfe bringen kann. Weil sie den Satz: „Nur wenn ich mich an Körper und Seele berühren lasse, werde ich etwas verändern.“ sehr wichtig findet, bittet sie die Mitglieder um eine kleine Übung mit inneren Bildern. Weiter möchte sie wissen, ob die Mitglieder bereit sind, sich auf diese Übung einzulassen.
Herr Jagodschinski, AfD-Fraktion, ist der Meinung, dass die Einwohnerin ein sehr wichtiges Thema anspricht, versteht aber nicht, weshalb sie mit den Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses (JHA) einen „Workshop“ veranstalten möchte. Die Einwohnerfragestunde ist für Fragen an die Mitglieder gedacht.
Frau Golze, Vorsitzende, weist darauf hin, dass die Einwohnerfragestunde gemäß Hauptsatzung des Landkreises Havelland auch für Anliegen der Einwohner/Einwohnerinnen genutzt werden kann. Das Thema der Ärztin wertet sie als sehr wichtig. Es ist richtig, den Jugendhilfeausschuss zu informieren und zu sensibilisieren.
Frau Golze informiert die Ärztin darüber, dass es bereits an vielen Stellen eine Auseinandersetzung zu der Thematik sexuelle Gewalt gibt, so zum Beispiel bei Veranstaltungen der freien Träger des Landkreises wie Jugendhilfetage oder in den professionellen Beratungsstellen. Letztlich kommt es aber auch auf jeden Einzelnen an, dass er genau hinsieht und einschreitet. Der Jugendhilfeausschuss kann überlegen, in welcher Form Wissen weitergegeben und weitere Maßnahmen eingeleitet werden können.
Frau Lindner, Fraktion B90/Grüne, weist auf den Arbeitskreis Frühe Hilfen/Kinderschutz hin. Sie bemängelt, dass Ärzte (Kinderärzte, Gynäkologen usw.) zu selten in diesen Arbeitskreisen vertreten sind. Sie bittet die Einwohnerin um Werbung bei ihren Kollegen/Kolleginnen um regelmäßige Teilnahme.
Die Ärztin weist noch einmal auf ihr eigentliches Anliegen hin. Ihr geht es nicht darum, was nach der sexualisierten Gewalt getan werden kann, sondern um die Einstellung und die Sichtweise der Menschen und wie man darauf hinwirken kann, bevor es erst zu einer solchen Gewalt an Kindern kommt.
Herr Jagodschinski glaubt, dass die Experten in diesem Fachgebiet nicht im JHA, sondern im Jugendamt zu finden sind. Wenn Schulen oder Kindergärten Auffälligkeiten an Kindern feststellen, melden sie es dem Jugendamt, das dann geeignete Schritte einleiten kann. Er gibt der Ärztin Recht in Bezug darauf, dass die sexuelle Gewalt ein gesellschaftliches Problem ist. Die zunehmende Freizügigkeit der Menschen führt dazu, dass man keine Grenzen mehr kennt und Kindern zu viel zumutet. Dass die Ärztin Unterstützung für eine neue Organisation oder den Aufbau eines Netzwerkes braucht, ist verständlich. Den Behörden geht es jedoch darum, Fälle zu bearbeiten, die bekannt geworden sind. Prävention ist ebenfalls wichtig, damit man Einfluss darauf nehmen kann, Gewalt im Vorfeld zu verhindern. Für eine Sitzung des JHA ist dieses Thema jedoch zu umfangreich. Herr Jagodschinski gibt die Frage der Ärztin an die Verwaltung des Jugendamtes weiter.
Die Ärztin stimmt zu, dass Prävention wichtig ist. Sie braucht aber dringend einflussreiche und engagierte Leute bei der Unterstützung, da sie dies nicht allein bewältigen kann.
Herr Gall, Dezernent II, erklärt, was das Jugendamt mit dem enorm wichtigen Thema zu tun hat. Manchmal kommen indirekt Themen im Jugendhilfeausschuss vor, z. B. in Einwohnerfragestunden, die möglicherweise mit dem sensiblen Thema zu tun haben. Aus Datenschutzgründen darf die Verwaltung aber nicht darüber reden. Er weist auf den § 1 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz hin, der besagt, dass der Kinderschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Alle müssen sich zuständig fühlen, einer allein kann diese Aufgabe nicht bewältigen. Besonders sensibel müssen Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Jugendfreizeiteinrichtungen bis hin zum Sportverein sein. Alle sind verantwortlich, dass Kinder unserer Gesellschaft ohne diese unmenschlichen und dramatischen Dinge, die die Ärztin angesprochen hat, aufwachsen. Nach dem Bundeskinderschutzgesetz (BKSchG) hat das Jugendamt folgende Aufgaben:
Mit der Einführung des BKSchG, so führt Herr Gall weiter aus, hat das Jugendamt Kooperationsvereinbarungen mit wichtigen Behörden getroffen. Auch mit Städten und Gemeinden, die in vielen Fällen Einrichtungsträger sind, wurden Vereinbarungen getroffen. Im vergangenen Jahr 2019 wurde angefangen, den Sportvereinen eine Kinderschutz-Zertifizierung zu vergeben. Für die Verwaltung ist es wichtig, dass alle, die mit Kindern zu tun haben, für das angesprochene Thema sensibilisiert werden.
Sein Vorschlag ist es, die Kinderschutzbeauftragte des Landkreises Havellandes, Frau Oetzmann, oder auch Kooperationspartner des Landkreises, zu einer der nächsten Sitzungen einzuladen, um sich dem Thema außerhalb der Einwohnerfragestunde zu widmen. Frau Oetzmann würde dann über ihre Tätigkeit im Landkreis berichten.
Die Ärztin weist nochmals darauf hin, dass dies nicht ihr Anliegen war. Sie meint, die Haupttäter sind in der nahen Verwandtschaft des Kindes zu finden. Sie meinte nicht die Sportvereine oder Institutionen.
Herr Richter, Fraktion CDU/Bauern/LWN, ist der Ansicht, dass ein JHA evtl. Gelder bereitstellen kann, um eine öffentliche Kampagne zu starten, die auf dieses Problem hinweisen und ein Bewusstsein in der Gesellschaft fördern kann. Sein Eindruck ist, dass Menschen zwar so manches mitbekommen, sich aber nicht trauen etwas zu sagen oder nicht wissen, wo sie sich hinwenden können etc. Da muss man ansetzen.
Frau Golze möchte auf den Vorschlag von Herrn Gall, das Thema als Tagesordnungspunkt in einer der nächsten Sitzungen aufzunehmen, eingehen. Damit soll der aktuelle Stand, wie die derzeitige Situation ist, wie sie eingeschätzt wird u. a. dargelegt werden. Sie möchte Frau Oetzmann einladen. Die Ärztin wird von der Vorsitzenden informiert. Ihr ist es dann freigestellt, ob sie an der Sitzung teilnehmen wird. Bis dahin soll noch einmal überlegt werden, welche Möglichkeiten der JHA hat, dieses Thema nach außen zu tragen.
Ein weiterer Einwohner aus Falkensee, der die Interessen von Kindertagespflegepersonen (KTPP) vertritt, möchte zum Tagesordnungspunkt (TOP) 5 eine Frage stellen und vorher die Frage erläutern.
Frau Golze bittet den Einwohner die Frage zu stellen, um zu klären, ob die Frage in der Einwohnerfragestunde direkt beantwortet werden kann oder erst zum TOP 5.
Der Einwohner berichtet, dass die KTPP bei Krankheit nicht abgesichert sind. Sie erhalten lediglich für 10 Krankentage eine Sachkostenpauschale in Höhe von 49,00 Euro pro Tag. Ab dem 11. Tag im Kalenderjahr bekommen sie keine Zuwendung mehr und müssen deshalb als Selbstständige Risikovorsorge betreiben. Der Stundenlohn entspricht nicht den Anforderungen, die das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg am 22.06.2020 formuliert hat. In diesem Urteil wird dargelegt, dass der Arbeitslohn für KTPP mit Qualifikation oder pädagogischer Ausbildung nicht 30 Prozent und mehr hinter der Vergütung von Kinderpfleger/innen oder Erzieher/innen nach TVöD zurückbleiben darf. Hinzu kommt, dass die Arbeit der KTPP schlechtere Rahmenbedingungen hat als die in einer Kindertagesstätte. Auch werden die sonstigen Tätigkeiten außerhalb der Betreuungszeiten für Vor- und Nachbereitungen nicht finanziert. Die Hochrechnung der Aufwandsentschädigung für 5 Kinder ist zudem eine Idealvorstellung, die nicht der Realität entspricht. Die KTPP hat oft weniger Betreuungsverträge.
Folgende Frage richtet der Einwohner an die Vertreter der Parteien:
Warum sollen Kindertagespflegepersonen eine niedrigere Vergütung erhalten als vergleichbare Kinderhelfer in der Kinderkrippe, zumal die Rahmenbedingungen für sie deutlich schlechter sind?
Frau Golze fragt die Verwaltung, ob die Beantwortung sofort erfolgen kann.
Herr Gall, Dezernent II, antwortet, dass die Verwaltung nicht direkt von dem Interessenvertreter der Kindertagespflegepersonen gefragt wurde. Er weist darauf hin, dass zum TOP 5 detailliert ausgeführt wird und dass auch zu dem angesprochenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) etwas gesagt werden kann.
Die Vorsitzende fragt den Einwohner, ob er bis zur Behandlung des TOP 5 bleiben kann und damit einverstanden ist, dass die Frage dann beantwortet wird.
Der Einwohner ist einverstanden, auf die Erörterung unter TOP 5 zu warten. |
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